Kannavape (Englische Fassung.)
Der Sachverhalt beginnt in Punkt 28 des Textes. Dies ist ein trockener Text, aber mit Geduld und Ausdauer ist er eine sehr interessante Lektüre. Das Urteil legt den Standpunkt der EU zu CBD-Produkten und deren Verkauf innerhalb der EU klar dar. Viele Juristen und Akademiker haben behauptet, dass die deutschen Gerichte jetzt nicht mehr mit dem Kannavape-Urteil und dem EU-Recht übereinstimmen.
KANNAVAPE-GEHÄUSE
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ECLI:EU:C:2020:938
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Vierte Kammer)
19. November 2020 (*)
(Vorabentscheidungsersuchen - Freier Warenverkehr - Gemeinsame Marktorganisation für Flachs und Hanf - Ausnahmen - Schutz der öffentlichen Gesundheit - Nationale Rechtsvorschriften, die die Industrialisierung und Vermarktung von Hanf auf Fasern und Samen beschränken - Cannabidiol [CBD])
In der Rechtssache C-663/18,
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d'appel d'Aix-en-Provence (Frankreich) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Oktober 2018, in dem Strafverfahren gegen
B S,
C A
intervenierende Parteien:
Ministère public,
Conseil national de l'ordre des pharmaciens,
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer),
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras sowie der Richterin N. Piçarra und der Richter D. Šváby, S. Rodin (Berichterstatter) und K. Jürimäe,
Generalanwältin: E. Tanchev,
Kanzler: V. Giacobbo, Verwalter,
unter Hinweis auf das schriftliche Verfahren und auf die Anhörung vom 23. Oktober 2019,
nach Prüfung der im Namen der Beteiligten eingereichten Stellungnahmen:
- B S, von X. Pizarro und I. Metton, avocats,
- C A, von E. van Keymeulen, M. De Vallois, A. Vey und L.-M. De Roux, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch A.-L. Desjonquères und C. Mosser sowie von R. Coesme als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos und A. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Lewis, M. Huttunen und M. Kaduczak als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Mai 2020,
ergibt sich folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 34 und 36 AEUV, der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften für Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (ABl. L 347, S. 608), und der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671).
2 Der Antrag wurde im Rahmen eines Strafverfahrens gestellt, das in Frankreich gegen B S und C A im Zusammenhang mit der Vermarktung und dem Vertrieb einer elektronischen Zigarette mit Hanföl eingeleitet wurde.
Rechtlicher Kontext
Internationales Recht
Das HS und die HS-Erläuterungen
- Das HS
3 Der Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, die heutige Weltzollorganisation (WZO), wurde durch das am 15. Dezember 1950 in Brüssel geschlossene Übereinkommen zur Gründung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens gegründet. Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde von der WZO ausgearbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS-Übereinkommen) eingeführt, das mit seinem Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt wurde.
4 Die Position 29.32 des HS-Übereinkommens, die in dessen Kapitel 29 mit dem Titel "Organische Chemikalien" enthalten ist, hat folgenden Wortlaut:
Nummer der Überschrift | HScode | Beschreibung |
... | ... | |
29.32 | Heterozyklische Verbindungen mit nur einem oder mehreren Sauerstoff-Heteroatomen. | |
... | ... | |
- Sonstiges: | ||
2932.95 | - Tetrahydrocannabinole (alle Isomere) | |
2932.99 | - Sonstiges |
5 Unter der Position 57.01 des HS-Übereinkommens, jetzt Position 53.02, ist "Echter Hanf (Cannabis sativa L.), roh oder verarbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle von echtem Hanf (einschließlich Garnabfälle und Reißspinnstoff)".
- Die HS-Erläuterungen
6 Die Erläuterungen zum HS (im Folgenden "HS-Erläuterungen") werden von der WZO gemäß den Bestimmungen des HS-Übereinkommens erstellt.
7 In der Anmerkung zu Kapitel 29 des HS-Übereinkommens heißt es:
Eine chemisch definierte Verbindung ist ein Stoff, der aus einer molekularen Spezies (z. B. kovalent oder ionisch) besteht, deren Zusammensetzung durch ein konstantes Verhältnis von Elementen definiert ist und durch ein endgültiges Strukturdiagramm dargestellt werden kann. ... Die getrennten chemisch definierten Verbindungen dieses Kapitels können Verunreinigungen enthalten.
8 Nach der Anmerkung zu Position 53.02 des HS-Übereinkommens gehört zu dieser Position:
(1) Rohhanf im geernteten Zustand, unabhängig davon, ob die Blätter und Samen entfernt wurden oder nicht.
(2) Gerotteter Hanf, bei dem die Fasern noch mit dem holzigen Teil der Pflanze verbunden sind, aber durch die Rotte gelockert wurden.
(3) Schälhanf, der die isolierten, manchmal 2 m oder mehr langen Fasern umfasst, die durch Schälen von der Pflanze getrennt werden.
(4) Gekämmter Hanf oder anders für die Spinnerei aufbereitete Hanffasern, im Allgemeinen in Form von Faserbändern oder Rovings.
(5) Werg und Abfälle von Hanf. Hierzu gehören Abfälle, die beim Kämmen oder Auskämmen anfallen, Abfälle von Garnen, die beim Spinnen, Weben usw. anfallen, sowie Reißspinnstoff, der aus Lumpen, Seilresten usw. gewonnen wird. Werg und Abfälle werden hierher eingereiht, wenn sie sich zum Spinnen von Garnen eignen (auch in Form von Faserbändern oder Rovings) oder nur zur Verwendung als Dichtungsmaterial, zum Polstern oder Ausstopfen, zur Papierherstellung usw. geeignet sind.
Das einheitliche Übereinkommen
9 Artikel 1 des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung des Protokolls von 1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe, das am 30. März 1961 in New York geschlossen wurde (Vertragsreihe der Vereinten Nationen(Bd. 520, Nr. 7515; "das Einheitliche Übereinkommen"), sieht vor:
'1. Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist oder sich aus dem Zusammenhang etwas anderes ergibt, gelten die folgenden Begriffsbestimmungen für das gesamte Übereinkommen:
...
(b) "Cannabis": die blühenden oder fruchttragenden Spitzen der Cannabispflanze (mit Ausnahme der Samen und Blätter, wenn sie nicht von den Spitzen begleitet werden), aus denen das Harz nicht extrahiert wurde, unabhängig von ihrer Bezeichnung.
(c) "Cannabispflanze": jede Pflanze der Gattung Cannabis.
...
(j) "Droge": jeder der in den Anhängen I und II aufgeführten Stoffe, unabhängig davon, ob er natürlich oder synthetisch ist.
...'
10 Die Liste der Betäubungsmittel in Tabelle I des Einheitsübereinkommens umfasst Cannabis, Cannabisharz, Extrakte und Tinkturen von Cannabis.
Das Übereinkommen über psychotrope Stoffe
11 Das Übereinkommen über psychotrope Stoffe von 1971, das am 21. Februar 1971 in Wien geschlossen wurde (Vertragsreihe der Vereinten NationenBd. 1019, Nr. 14956; "Übereinkommen über psychotrope Stoffe") sieht in seinem Artikel 1 Buchstabe e vor:
Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist oder der Zusammenhang etwas anderes erfordert, haben die folgenden Begriffe in diesem Übereinkommen die nachstehend angegebene Bedeutung:
...
(e) "Psychotroper Stoff": jeder natürliche oder synthetische Stoff oder jedes natürliche Material der Liste I, II, III oder IV [dieses Übereinkommens].
Recht der Europäischen Union
Rahmenbeschluss 2004/757/JI
12 Der Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335, S. 8) sieht in seinem Artikel 1 vor:
Für die Zwecke dieses Rahmenbeschlusses:
1. "Drogen": alle Stoffe, die unter die folgenden Übereinkommen der Vereinten Nationen fallen:
(a) das [Einheitliche Übereinkommen];
(b) das [Übereinkommen über psychotrope Stoffe]. Sie umfasst auch die Stoffe, die gemäß der Gemeinsamen Maßnahme 97/396/JI vom 16. Juni 1997 [vom Rat aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union angenommen] betreffend den Informationsaustausch, die Risikobewertung und die Kontrolle bei neuen synthetischen Drogen [(ABl. L 167, S. 1)] kontrolliert werden.
13 Nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2004/757 trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgende vorsätzliche Handlungen, wenn sie unbefugt begangen werden, unter Strafe gestellt werden: die Erzeugung, die Herstellung, die Gewinnung, die Zubereitung, das Anbieten, das Anbieten zum Verkauf, die Verteilung, der Verkauf, die Lieferung zu beliebigen Bedingungen, die Vermittlung, der Versand, die Durchfuhr, die Beförderung, die Einfuhr oder die Ausfuhr von Drogen. Nach Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses fallen die in Absatz 1 beschriebenen Handlungen nicht in den Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses, wenn sie von den Tätern ausschließlich für den Eigenbedarf im Sinne des nationalen Rechts begangen werden.
Das Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen
14 Das Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19), das am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichnet wurde und am 26. März 1995 in Kraft getreten ist (im Folgenden: Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen), gehört zum Schengen-Besitzstand im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 des Beschlusses 1999/435/EG des Rates vom 20. Mai 1999 zur Bestimmung des Schengen-Besitzstands zwecks Festlegung der Rechtsgrundlagen für jede Bestimmung und jeden Beschluss, die diesen Besitzstand bilden, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrags über die Europäische Union (ABl. L 176, S. 1).
15 Nach Artikel 71 Absatz 1 dieses Übereinkommens verpflichten sich die Vertragsparteien, hinsichtlich des unmittelbaren oder mittelbaren Verkaufs von Suchtstoffen und psychotropen Stoffen jeder Art, einschließlich Cannabis, sowie des Besitzes solcher Erzeugnisse und Stoffe zum Zwecke des Verkaufs oder der Ausfuhr in Übereinstimmung mit den bestehenden Übereinkommen der Vereinten Nationen alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den unerlaubten Handel mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen zu verhüten und zu bestrafen.
Verordnung Nr. 1307/2013
16 Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1307/2013 sieht vor:
Diese Verordnung legt fest:
(a) gemeinsame Regeln für Zahlungen, die im Rahmen der in Anhang I aufgeführten Stützungsregelungen direkt an Landwirte geleistet werden ("Direktzahlungen")".
17 Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung:
Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Definitionen:
...
(d) "landwirtschaftliche Erzeugnisse": die in Anhang I der Verträge aufgeführten Erzeugnisse, ausgenommen Fischereierzeugnisse, sowie Baumwolle".
18 Artikel 32 Absatz 6 dieser Verordnung bestimmt:
Flächen, die für die Erzeugung von Hanf genutzt werden, sind nur dann beihilfefähig, wenn die verwendeten Sorten einen Tetrahydrocannabinolgehalt von höchstens 0,2% aufweisen".
19 Artikel 35 Absatz 3 derselben Verordnung sieht vor:
Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit wird der [Europäischen] Kommission die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 70 zur Festlegung von Vorschriften zu erlassen, mit denen die Gewährung von Zahlungen von der Verwendung von zertifiziertem Saatgut bestimmter Hanfsorten abhängig gemacht wird, sowie zur Festlegung des Verfahrens zur Bestimmung der Hanfsorten und zur Überprüfung ihres Tetrahydrocannabinolgehalts gemäß Artikel 32 Absatz 6.
Verordnung Nr. 1308/2013
20 Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 sieht vor:
'1. Mit dieser Verordnung wird eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse errichtet, d. h. für alle in Anhang I der Verträge aufgeführten Erzeugnisse mit Ausnahme der Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur, wie sie in den Rechtsakten der Union über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur definiert sind.
2. (2) Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse im Sinne von Absatz 1 werden in die folgenden Sektoren unterteilt, die in den entsprechenden Teilen von Anhang I aufgeführt sind:
...
(h) Flachs und Hanf, Teil VIII;
...'
21 In Anhang I Teil VIII dieser Verordnung sind in der Liste der in Artikel 1 Absatz 2 dieser Verordnung genannten Erzeugnisse u. a. "Echter Hanf (Cannabis sativa L.) roh oder verarbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle von echtem Hanf (einschließlich Garnabfälle und Reißspinnstoff)".
22 Artikel 189 derselben Verordnung, der besondere Bestimmungen für die Einfuhr von Hanf enthält, bestimmt:
'1. Die folgenden Erzeugnisse dürfen nur in die [Europäische] Union eingeführt werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
(a) Rohhanf des KN-Codes 5302 10 00, der die in Artikel 32 Absatz 6 und Artikel 35 Absatz 3 der Verordnung [Nr. 1307/2013] festgelegten Bedingungen erfüllt;
(b) Samen von Hanfsorten des KN-Codes ex 1207 99 20 zur Aussaat, denen der Nachweis beigefügt ist, dass der Tetrahydrocannabinolgehalt der betreffenden Sorte den gemäß Artikel 32 Absatz 6 und Artikel 35 Absatz 3 der Verordnung [Nr. 1307/2013] festgesetzten Wert nicht überschreitet;
(c) nicht zur Aussaat bestimmte Hanfsamen des KN-Codes 1207 99 91, die nur von Einführern eingeführt werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat ermächtigt wurden, um sicherzustellen, dass diese Samen nicht zur Aussaat bestimmt sind.
2. (2) Dieser Artikel gilt unbeschadet strengerer Bestimmungen, die von den Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem [FEU-Vertrag] und den Verpflichtungen aus dem [Übereinkommen über die Landwirtschaft in Anhang 1A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation, im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt durch Artikel 1 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1)] erlassen werden.
Französisches Recht
Das öffentliche Gesundheitsgesetzbuch
23 Artikel L. 5132-1 des Code de la santé publique (Gesetzbuch der öffentlichen Gesundheit) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetzbuch der öffentlichen Gesundheit) bestimmt:
Als giftige Stoffe gelten die folgenden:
...
2° Narkotische Stoffe;
3° Psychotrope Stoffe;
...
"Stoffe" sind chemische Elemente und ihre Verbindungen, wie sie in der Natur vorkommen oder wie sie von der Industrie hergestellt werden, einschließlich aller für das Inverkehrbringen erforderlichen Zusatzstoffe.
...'
24 Der erste Unterabsatz von Artikel L. 5132-8 des Gesetzes über die öffentliche Gesundheit sieht vor:
Die Erzeugung, die Herstellung, die Beförderung, die Einfuhr, die Ausfuhr, der Besitz, die Lieferung, die Weitergabe, der Erwerb und die Verwendung von Pflanzen, Stoffen oder Zubereitungen, die als giftig eingestuft sind, unterliegen Bedingungen, die durch Dekrete des Conseil d'État [(Staatsrat, Frankreich)] festgelegt werden.
25 Artikel R. 5132-86(1) und (2) des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen sieht vor:
I. - Verboten sind die Produktion, die Herstellung, die Beförderung, die Einfuhr, die Ausfuhr, der Besitz, die Lieferung, die Weitergabe, der Erwerb oder die Verwendung von:
1° Cannabis, Cannabispflanzen und Cannabisharz, cannabishaltige Produkte oder aus Cannabis, Cannabispflanzen oder Cannabisharz gewonnene Produkte;
2. Tetrahydrocannabinole, ausgenommen Delta-9-Tetrahydrocannabinol, Tetrahydrocannabinolester, -ether und -salze sowie Salze der vorgenannten Derivate und Erzeugnisse, die sie enthalten.
II. - Für Forschungs- und Versuchszwecke sowie für die Herstellung von Derivaten, die vom Generaldirektor der Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten) genehmigt wurden, können Ausnahmen von den oben genannten Bestimmungen gewährt werden.
Der Anbau, die Einfuhr, die Ausfuhr und die industrielle und kommerzielle Verwendung von Cannabissorten, die keine betäubenden Eigenschaften besitzen, oder von Erzeugnissen, die solche Sorten enthalten, können auf Vorschlag des Generaldirektors der Agentur durch Verordnung der für Landwirtschaft, Zoll, Industrie und Gesundheit zuständigen Minister genehmigt werden.
Der Beschluss vom 22. August 1990
26 Artikel 1 der Verordnung vom 22. August 1990 zur Durchführung des Artikels R. 5132-86 des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen in bezug auf Cannabis (JORF vom 4. Oktober 1990, S. 12041) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im folgenden: Verordnung vom 22. August 1990) bestimmt:
Gemäß Artikel R. 5181 des vorgenannten Gesetzbuchs sind der Anbau, die Einfuhr, die Ausfuhr und die industrielle und kommerzielle Nutzung (Fasern und Saatgut) von Sorten von Cannabis sativa L., die die folgenden Kriterien erfüllen:
- der Delta-9-Tetrahydrocannabinol-Gehalt dieser Sorten nicht mehr als 0,2% beträgt;
- die Bestimmung des Gehalts an Delta-9-Tetrahydrocannabinol und die Probenahme für diese Bestimmung erfolgt nach der im Anhang festgelegten [Unions-]Methode.
...'
Das Rundschreiben vom 23. Juli 2018
27 Im Rundschreiben des Justizministeriums vom 23. Juli 2018 über die rechtliche Regelung für Einrichtungen, die Cannabisprodukte zum öffentlichen Verkauf anbieten (Coffeeshops) (2018/F/0069/FD2) ("Rundschreiben vom 23. Juli 2018") wird die Verordnung vom 22. August 1990 wie folgt ausgelegt:
Der Anbau, die Einfuhr, die Ausfuhr und die Verwendung von Hanf sind nur zulässig, wenn:
- die Pflanze stammt von einer der Sorten von Cannabis sativa L., die in dem Beschluss [vom 22. August 1990] vorgesehen ist,
- Es werden nur die Fasern und Samen der Pflanze verwendet,
- Die Pflanze selbst enthält weniger als 0,2% delta-9-Tetrahydrocannabinol.
Entgegen dem Argument, das manchmal von Einrichtungen vorgebracht wird, die Produkte auf Cannabidiol-Basis zum Verkauf anbieten, bezieht sich der zulässige Delta-9-Tetrahydrocannabinol-Gehalt von 0,2% auf die Cannabispflanze und nicht auf das daraus hergestellte Endprodukt.
...
Es sei darauf hingewiesen, dass Cannabidiol hauptsächlich in den Blättern und Blüten der Pflanze und nicht in den Fasern und Samen enthalten ist. Folglich scheint es beim derzeitigen Stand der geltenden Rechtsvorschriften nicht möglich zu sein, Cannabidiol unter Bedingungen zu extrahieren, die mit dem Gesetzbuch für öffentliche Gesundheit vereinbar sind.
...'
Der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens und die Vorabentscheidungsfrage
28 B S und C A sind die ehemaligen Geschäftsführer von Catlab SAS, einem Unternehmen, das 2014 gegründet wurde, um Kanavape, alpha-CAT-Kits zum Testen der Qualität von Cannabidiol ("CBD") und Hanföl zu vermarkten. Kanavape ist eine elektronische Zigarette, deren Flüssigkeit CBD enthält; sie sollte über das Internet und ein Netz von Verkäufern elektronischer Zigaretten vertrieben werden. CBD wird in der Regel aus ''Hanf'' extrahiert.Cannabis sativaoder "Hanf", da diese Sorte von Natur aus einen hohen Gehalt an THC aufweist, während der Gehalt an Tetrahydrocannabinol ("THC") gering ist.
29 Das im Kanavape verwendete CBD wurde in der Tschechischen Republik unter Verwendung der gesamten CBD-Pflanze hergestellt. Cannabis sativa Pflanze, die ebenfalls vor Ort angebaut wurde. Sie wurde von Catlab nach Frankreich importiert und in Kartuschen für elektronische Zigaretten verpackt.
30 Im Anschluss an eine Informationskampagne, mit der Catlab 2014 die Markteinführung des Produkts Kanavape beworben hatte, wurde eine Untersuchung eingeleitet und die Angelegenheit an die Nationale Agentur für die Sicherheit von Gesundheitsprodukten (ANSM") verwiesen.
31 Das Labor der ANSM testete die auf dem Markt erhältlichen Kanavape-Patronen, und obwohl erhebliche Unterschiede im CBD-Gehalt dieser Patronen festgestellt wurden, lag der THC-Gehalt der getesteten Produkte stets unter dem gesetzlich zulässigen Grenzwert. Im Juli 2016 erklärte die ANSM nach einer Sitzung ihres Ausschusses für Suchtstoffe und psychotrope Substanzen, dass sie Kanavape nicht als "Arzneimittel" betrachte.
32 Mit Urteil vom 8. Januar 2018 befand das Tribunal correctionnel de Marseille (Strafgericht Marseille, Frankreich) u. a. B S und C A wegen mehrerer Verstöße, u. a. gegen die Rechtsvorschriften über giftige Stoffe, für schuldig. Die Kläger des Ausgangsverfahrens wurden zu Freiheitsstrafen von 18 Monaten bzw. 15 Monaten auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe von jeweils 10 000 Euro verurteilt. Im Rahmen des Zivilverfahrens wurden die Kläger gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 5 000 Euro als Ersatz des dem Conseil national de l'ordre des pharmaciens (Nationaler Rat des Apothekerordens) entstandenen Schadens und von 600 Euro nach der Strafprozessordnung verurteilt.
33 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens haben am 11. und 12. Januar 2018 gegen dieses Urteil Rechtsmittel bei der Cour d'appel d'Aix-en-Provence (Berufungsgericht Aix-en-Provence, Frankreich) eingelegt. Vor dem vorlegenden Gericht machen sie insbesondere geltend, dass das Verbot der Vermarktung von CBD aus dem Cannabis sativa Anlage in ihrer Gesamtheit gegen das EU-Recht verstößt.
34 Das vorlegende Gericht erklärt, dass CBD offenbar keine "anerkannten psychoaktiven Wirkungen" hat. Es weist nämlich darauf hin, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem Bericht aus dem Jahr 2017 empfohlen habe, CBD von der Liste der Dopingsubstanzen zu streichen, dass CBD im Einheitsübereinkommen nicht als solches aufgeführt sei, dass die ANSM am 25. Juni 2015 zu dem Schluss gekommen sei, dass keine ausreichenden Daten vorlägen, um es als "schädlich" einzustufen, und dass schließlich der im Rahmen der strafrechtlichen Untersuchung, die zu dem gegen die Kläger des Ausgangsverfahrens eingeleiteten Verfahren geführt habe, bestellte Sachverständige zu dem Schluss gekommen sei, dass es "keine oder nur geringe" Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem habe. Im Übrigen wird CBD weder in den für Industriehanf noch in den für Cannabis als Betäubungsmittel geltenden Texten ausdrücklich erwähnt.
35 Da das im Kanavape enthaltene CBD jedoch aus dem Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit, so ist sie als Erzeugnis anzusehen, das aus anderen Teilen dieser Pflanze als den Samen und Fasern gewonnen wurde und dessen Inverkehrbringen nach Art. 1 der Verordnung vom 22. August 1990 in der Auslegung des Rundschreibens vom 23. Juli 2018 nicht zulässig ist.
36 In diesem Zusammenhang stellt das vorlegende Gericht die Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit dem Unionsrecht in Frage und vertritt die Auffassung, dass "Echter Hanf (Cannabis sativa), roh oder verarbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle von echtem Hanf (einschließlich Reißspinnstoff oder Seile)" in Kapitel 57 des HS-Übereinkommens aufgeführt ist, auf das in Anhang I der Verträge Bezug genommen wird, und dass es daher als landwirtschaftliches Erzeugnis im Sinne von Artikel 38 AEUV anzusehen ist, der einen auf dem freien Warenverkehr beruhenden Binnenmarkt schafft.
37 Da der THC-Gehalt des in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig in den Verkehr gebrachten Hanfs, wie im Ausgangsverfahren, unter 0,2% liegt, kann CBD nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht als "Betäubungsmittel" eingestuft werden. Denn nach den Urteilen vom 26. Oktober 1982, Wolf (221/81, EU:C:1982:363), und vom 28. März 1995, Evans Medical und Macfarlan Smith (C-324/93, EU:C:1995:84) kann nur ein Produkt als solches eingestuft werden, dessen Schädlichkeit nachgewiesen oder allgemein anerkannt ist und dessen Einfuhr und Vermarktung in allen Mitgliedstaaten verboten ist.
38 Außerdem ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass die Verordnungen Nr. 1307/2013 und Nr. 1308/2013 auf Hanf anwendbar sind.
39 Darüber hinaus lässt Art. 189 der Verordnung Nr. 1308/2013 zwar die Einfuhr von Rohhanf unter bestimmten Bedingungen zu und legt Grenzwerte für bestimmtes Saatgut fest, doch gilt dieser Artikel 189 "unbeschadet restriktiverer Vorschriften, die die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem [FEU-Vertrag] und den Verpflichtungen aus dem [Übereinkommen über die Landwirtschaft in Anhang 1A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation] erlassen".
40 Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, daß die kumulativen Voraussetzungen, die der Gerichtshof aufgestellt hat, um eine "restriktivere" nationale Maßnahme im Sinne von Artikel 189 des Vertrags als mit dem AEU-Vertrag vereinbar anzusehen, nicht erfüllt sind.
41 Das Ziel der öffentlichen Gesundheit scheine ihr bereits in der Verordnung Nr. 1308/2013 berücksichtigt zu sein, da diese Verordnung ihren Anwendungsbereich auf Sorten beschränke, die Garantien hinsichtlich des Gehalts an berauschenden Stoffen böten, und zum einen eine Beschränkung für Saatgut und zum anderen einen Wert von 0,2% für den THC-Gehalt von Hanf festlege.
42 Darüber hinaus erscheint es ihr nicht möglich, sich auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berufen, da sich die Französische Republik in ihrem Rundschreiben vom 23. Juli 2018 zur Rechtfertigung des Verbots von natürlichem CBD auf ein Verbot stützt, das sich nicht auf das Inverkehrbringen von synthetischem CBD mit denselben Eigenschaften und Wirkungen erstrecken kann.
43 Unter diesen Umständen hat die Cour d'appel d'Aix-en-Provence (Berufungsgericht Aix-en-Provence) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind die Verordnungen Nr. 1307/2013 und Nr. 1308/2013 sowie der Grundsatz des freien Warenverkehrs dahin auszulegen, dass die mit dem Dekret vom 22. August 1990 eingeführten abweichenden Bestimmungen, die den Anbau, die Verarbeitung und die Vermarktung von Hanf ausschließlich auf Fasern und Samen beschränken, eine Beschränkung darstellen, die nicht mit dem [EU-]Recht vereinbar ist?
Prüfung der Vorlagefrage
44 Obwohl das vorlegende Gericht in der Formulierung seiner Frage darauf abstellt, "den Anbau, die Industrialisierung und die Vermarktung von Hanf ausschließlich auf Fasern und Samen" zu beschränken, geht aus seinen eigenen Ausführungen hervor, dass die gestellte Frage für den Ausgangsrechtsstreit nur insoweit von Bedeutung sein kann, als sie die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit dem Unionsrecht betrifft, die die Vermarktung von CBD verbietet, wenn es aus dem Hanf gewonnen wird Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit und nicht nur aus ihren Fasern und Samen.
45 Daher ist zu berücksichtigen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob die Verordnungen Nr. 1307/2013 und Nr. 1308/2013 sowie die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, soweit diese das Inverkehrbringen von CBD verbietet, wenn es aus Pflanzen gewonnen wird Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit und nicht nur aus ihren Fasern und Samen.
Zur Auslegung der Verordnungen Nr. 1307/2013 und Nr. 1308/2013
46 Der Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 ist in Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dahingehend definiert, dass eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse geschaffen wird, d. h. für alle in Anhang I der Verträge aufgeführten Erzeugnisse mit Ausnahme der Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur, wie sie in den Rechtsakten der EU über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur definiert sind.
47 Soweit in den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1307/2013 landwirtschaftliche Erzeugnisse erwähnt werden, beziehen sie sich nach deren Art. 4 Abs. 1 Buchst. d auf die in Anhang I der Verträge aufgeführten Erzeugnisse, mit Ausnahme von Fischereierzeugnissen, sowie auf Baumwolle.
48 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Anhang I der Verträge, auf den sich diese Bestimmungen beziehen, u. a. einen Verweis auf die Position 57.01 des HS-Übereinkommens, jetzt Position 53.02, enthält. Zu dieser Position gehört echter Hanf (Cannabis sativa), roh oder verarbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle von echtem Hanf (einschließlich Reißspinnstoff und Seile)".
49 Nach den HS-Erläuterungen, die eine wichtige Hilfe bei der Auslegung des Anwendungsbereichs der verschiedenen Tarifpositionen darstellen, aber nicht rechtsverbindlich sind (Urteil vom 13. September 2018, Vision Research EuropaC-372/17, EU:C:2018:708, Rdnr. 23), umfasst Position 53.02 des HS-Übereinkommens umfasst "rohen Hanf, wie er geerntet wird, auch ohne Blätter und Samen", "gerotteten Hanf, bei dem die Fasern noch mit dem holzigen Teil der Pflanze verbunden sind, aber durch die Rotte gelockert wurden", "gekämmten Hanf, der die isolierten, manchmal 2 m oder mehr langen Fasern umfasst, die durch das Kämmen von der Pflanze getrennt wurden", "gekämmten Hanf oder anders für die Spinnerei vorbereitete Hanffasern, im Allgemeinen in Form von Bändern oder Rovings" und "Werg und Abfälle von Hanf".
50 C A hat, ohne dass ihm von den anderen Beteiligten des Verfahrens vor dem Gericht widersprochen worden wäre, vorgetragen, dass die im Ausgangsverfahren streitige CBD aus der Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit durch den Prozess der Kohlendioxid (CO2)-Extraktion.
51 Wie der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, handelt es sich bei diesem Erzeugnis weder um Rohhanf, da er nicht geerntet wird, noch um gerösteten oder geschnittenen Hanf, noch um Bastfasern, da der Extraktionsprozess keine Trennung der Faser vom Rest der Pflanze beinhaltet.
52 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens ist daher festzustellen, dass die aus dem CBD Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit nicht als zu Position 57.01 des HS-Übereinkommens, jetzt Position 53.02, gehörend angesehen werden kann, auf die in Anhang I der Verträge Bezug genommen wird.
53 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Kapitel 29 des HS-Übereinkommens organische Chemikalien umfasst und dass in Position 29.32 die heterocyclischen Verbindungen mit ausschließlich Sauerstoff-Heteroatomen, einschließlich THC und Cannabinoide wie CBD, aufgeführt sind.
54 Nach den Erläuterungen zum HS umfasst Kapitel 29 des HS-Übereinkommens getrennte chemisch definierte Verbindungen, d. h. Stoffe, die aus einer Molekülart bestehen, deren Zusammensetzung durch ein konstantes Verhältnis der Elemente definiert ist, die durch ein einziges Struktogramm dargestellt werden können und die Verunreinigungen enthalten können.
55 Da das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis so aufgemacht ist, dass es abgesehen von Verunreinigungen keine anderen Verbindungen als CBD enthält, fällt es unter die Position 29.32 des HS-Übereinkommens.
56 Da die Liste der landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Anhang I der Verträge die Position 29.32 des HS-Übereinkommens nicht enthält, ist das CBD in der gesamten Cannabis sativa Pflanze kann nicht als landwirtschaftliches Erzeugnis und somit auch nicht als Erzeugnis im Sinne der Verordnungen Nr. 1307/2013 und Nr. 1308/2013 angesehen werden.
57 Wie der Generalanwalt in Nr. 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, fallen nämlich nur die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1307/2013 und in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 genannten Erzeugnisse unter diese Verordnungen.
58 Unter diesen Umständen ist der Schluss zu ziehen, dass die Verordnungen Nr. 1307/2013 und Nr. 1308/2013 so auszulegen sind, dass sie nicht für die CBD gelten.
Zur Auslegung der Artikel 34 und 36 AEUV
59 Einleitend sei darauf hingewiesen, dass die Schädlichkeit von Suchtstoffen, einschließlich der aus Hanf gewonnenen, wie Cannabis, allgemein anerkannt ist und daher in allen Mitgliedstaaten ein Verbot des Inverkehrbringens dieser Stoffe besteht, mit Ausnahme des streng kontrollierten Handels für medizinische und wissenschaftliche Zwecke (Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemarie, C-137/09, EU:C:2010:774, Rn. 36).
60 Diese Rechtslage steht im Einklang mit verschiedenen internationalen Übereinkünften, an denen die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben oder denen sie beigetreten sind, wie dem Einheitsübereinkommen und dem Übereinkommen über psychotrope Stoffe. Die in diesen Instrumenten vorgesehenen Maßnahmen wurden in der Folge durch das am 20. Dezember 1988 in Wien geschlossene Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen verstärkt und ergänzt (Vertragsreihe der Vereinten Nationen(Bd. 1582, Nr. 1-27627), dem alle Mitgliedstaaten und die Europäische Union beigetreten sind. Diese Rechtsauffassung ist auch im Lichte des Unionsrechts und insbesondere des Rahmenbeschlusses 2004/757 und des Art. 71 Abs. 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen gerechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemarie, C-137/09, EU:C:2010:774, Randnrn. 37 bis 40).
61 Daraus folgt, dass Betäubungsmittel, die nicht über von den zuständigen Behörden streng kontrollierte Kanäle vertrieben werden, um zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden, aufgrund ihrer Beschaffenheit einem Verbot der Einfuhr und des Anbietens zum Verkauf in allen Mitgliedstaaten unterliegen (Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemarie, C-137/09, EU:C:2010:774, Rn. 41).
62 Da Betäubungsmittel, die nicht über solche streng kontrollierten Kanäle vertrieben werden, nicht in die Wirtschafts- und Handelskanäle der Europäischen Union gelangen dürfen, können sich Personen, die diese Produkte vertreiben, nicht auf die Freizügigkeit oder den Grundsatz der Nichtdiskriminierung berufen, soweit es um die Vermarktung von Cannabis geht (Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemarie, C-137/09, EU:C:2010:774, Rn. 42).
63 Es ist daher zu prüfen, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD ein Betäubungsmittel im Sinne der in den Randnummern 59 bis 62 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist.
64 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass diese Substanz weder unter das Übereinkommen über psychotrope Stoffe noch unter die Gemeinsame Maßnahme 97/396 nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b des Rahmenbeschlusses 2004/757 fällt.
65 Daher ist zu prüfen, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD unter das Einheitliche Übereinkommen fällt, das in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a des Rahmenbeschlusses 2004/757 genannt ist und auf das auch in Art. 71 Abs. 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen Bezug genommen wird.
66 Was die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages wie des Einheitlichen Übereinkommens betrifft, so ist daran zu erinnern, daß nach ständiger Rechtsprechung ein völkerrechtlicher Vertrag nach seinem Wortlaut und im Lichte seiner Ziele auszulegen ist. Artikel 31 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (Vertragsreihe der Vereinten Nationen, Bd. 1155, S. 331), und Artikel 31 des Wiener Übereinkommens vom 21. März 1986 über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen (Amtliche Aufzeichnungen der Konferenz der Vereinten Nationen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen, Bd. II, S. 91), die in diesem Sinne allgemeines Völkergewohnheitsrecht zum Ausdruck bringen, besagen, dass ein Vertrag nach Treu und Glauben gemäß der gewöhnlichen Bedeutung auszulegen ist, die seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang und im Lichte seines Ziels und Zwecks beizumessen ist (siehe in diesem Sinne Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAAC-344/04, EU:C:2006:10, Randnr. 40).
67 Aus der Präambel des Einheitsübereinkommens geht hervor, daß die Vertragsparteien sich unter anderem um die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschheit sorgen und sich ihrer Pflicht zur Verhütung und Bekämpfung der Drogenabhängigkeit bewußt sind.
68 Gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe j) des Einheitsübereinkommens bezeichnet der Begriff "Droge" jeden der in den Anhängen I und II des Übereinkommens aufgeführten Stoffe, unabhängig davon, ob er natürlich oder synthetisch ist. In Anlage I dieses Übereinkommens sind unter anderem Cannabis, Cannabisharz sowie Cannabisextrakte und -tinkturen aufgeführt.
69 Darüber hinaus werden die Begriffe "Cannabis" und "Cannabispflanze" in Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben b und c des Einheitsübereinkommens definiert als "die blühenden oder fruchttragenden Spitzen der Cannabispflanze (mit Ausnahme der Samen und Blätter, wenn sie nicht von den Spitzen begleitet werden), aus denen das Harz nicht extrahiert wurde, unabhängig von ihrer Bezeichnung" bzw. als "jede Pflanze der Gattung Cannabis".
70 Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass die im Ausgangsverfahren streitige CBD aus der Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit und nicht nur aus den Samen und Blättern dieser Pflanze, unter Ausschluss ihrer blühenden oder fruchttragenden Spitzen.
71 Unter diesen Umständen könnte eine wörtliche Auslegung der Bestimmungen des Einheitsübereinkommens zwar zu dem Schluss führen, dass CBD, soweit es aus einer Pflanze des Cannabis und diese Pflanze in ihrer Gesamtheit - einschließlich der blühenden oder fruchtenden Spitzen - verwendet wird, handelt es sich um einen Cannabisextrakt im Sinne von Anlage I des Übereinkommens und damit um eine "Droge" im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe j des Übereinkommens.
72 Aus den Akten, die in Randnummer 34 des vorliegenden Urteils zusammengefasst sind, ergibt sich jedoch, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten weder eine psychotrope Wirkung noch eine schädliche Wirkung auf die menschliche Gesundheit zu haben scheint. Außerdem weist die Cannabissorte, aus der diese Substanz extrahiert wurde und die in der Tschechischen Republik rechtmäßig angebaut wurde, nach diesen Aktenbestandteilen einen THC-Gehalt von höchstens 0,2% auf.
73 Wie sich aus Randnummer 67 des vorliegenden Urteils ergibt, beruht das Einheitliche Übereinkommen u. a. auf dem Ziel, die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen zu schützen. Es ist daher angebracht, dieses Ziel bei der Auslegung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu berücksichtigen.
74 Ein solcher Ansatz ist umso zwingender, als die Lektüre des von den Vereinten Nationen veröffentlichten Kommentars zum Einheitsübereinkommen, der sich auf die Definition des Begriffs "Cannabis" für die Zwecke dieses Übereinkommens bezieht, zu dem Ergebnis führt, dass diese Definition in Anbetracht des Zwecks und des allgemeinen Geistes dieses Übereinkommens untrennbar mit dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gesundheitsschädlichkeit von Cannabisprodukten verbunden ist. So ergibt sich insbesondere aus diesem Kommentar, dass der Ausschluss von blühenden oder fruchttragenden Spitzen, aus denen das Harz extrahiert wurde, aus der Definition von Cannabis in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b dieses Übereinkommens dadurch gerechtfertigt ist, dass diese Spitzen nur eine vernachlässigbare Menge eines psychoaktiven Inhaltsstoffs enthalten.
75 In Anbetracht dieser Gesichtspunkte, die das vorlegende Gericht zu prüfen hat, ist festzustellen, dass es, da CBD nach dem in Randnummer 34 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufenen Stand der Wissenschaft keinen psychoaktiven Bestandteil enthält, dem Zweck und dem allgemeinen Geist des Einheitsübereinkommens zuwiderliefe, es als Cannabisextrakt unter den Begriff ³eDrogen³c im Sinne des Übereinkommens zu fassen.
76 Daraus folgt, daß das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD kein Arzneimittel im Sinne des Einheitsübereinkommens ist.
77 Außerdem ist hinzuzufügen, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD, wie die Kommission ebenfalls ausgeführt hat, in der Tschechischen Republik rechtmäßig hergestellt und vermarktet wurde.
78 Nach alledem ist festzustellen, dass die Artikel 34 und 36 AEUV auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD anwendbar sind.
79 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ein Grundprinzip des AEU-Vertrags ist, das in dem in Art. 34 AEUV niedergelegten Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten und aller Maßnahmen gleicher Wirkung zum Ausdruck kommt (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich v Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 119).
80 Nach ständiger Rechtsprechung umfasst das Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen nach Artikel 34 AEUV alle Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die geeignet sind, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich v Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 120).
81 Darüber hinaus fällt eine Maßnahme, auch wenn sie weder bezweckt noch bewirkt, dass Waren aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig behandelt werden, unter den Begriff "Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen" im Sinne von Artikel 34 AEUV, wenn sie den Zugang von Waren mit Ursprung in anderen Mitgliedstaaten zum Markt eines Mitgliedstaats behindert (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich v Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 121).
82 Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass das Verbot des Inverkehrbringens von in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erzeugtem CBD - wenn es aus dem Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit und nicht nur aus ihren Fasern und Samen - stellt eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne von Artikel 34 AEUV dar.
83 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine solche Maßnahme jedoch durch einen der in Artikel 36 AEUV genannten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein. In beiden Fällen muss die nationale Rechtsvorschrift geeignet sein, die Verwirklichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich v Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 122).
84 Darüber hinaus kann eine restriktive Maßnahme nur dann als geeignetes Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels angesehen werden, wenn sie tatsächlich das Anliegen widerspiegelt, die Verwirklichung dieses Ziels in kohärenter und systematischer Weise zu gewährleisten (Urteil vom 23. Dezember 2015), Scotch Whisky Association und andere, C-333/14, EU:C:2015:845, Rn. 37).
85 Soweit die Französische Republik geltend macht, dass das Ziel ihrer Regelung, das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die aus Teilen des Cannabis 36 AEUV den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt, ist daran zu erinnern, dass die Gesundheit und das Leben des Menschen unter den durch den AEU-Vertrag geschützten Gütern und Interessen an erster Stelle stehen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, das Schutzniveau, das sie der öffentlichen Gesundheit gewähren wollen, und die Art und Weise, in der dieses Niveau erreicht werden soll, festzulegen. Da dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen variieren kann, sollte den Mitgliedstaaten ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt werden (Urteil vom 19. Oktober 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung, C-148/15, EU:C:2016:776, Rn. 30).
86 Dieser Ermessensspielraum im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit ist besonders weit, wenn nachgewiesen wird, dass beim derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Forschung weiterhin Unsicherheiten in Bezug auf bestimmte von den Verbrauchern verwendete Stoffe bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission v Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 86).
87 Da Art. 36 AEUV eine eng auszulegende Ausnahme vom freien Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union enthält, obliegt es den nationalen Behörden, die sich darauf berufen, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung nachzuweisen, dass ihre Regelung erforderlich ist, um die in dieser Bestimmung genannten Interessen wirksam zu schützen, und insbesondere, dass das Inverkehrbringen der fraglichen Produkte eine echte Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt, die einer eingehenden Prüfung unterzogen werden muss (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission v FrankreichC-333/08, EU:C:2010:44, Randnrn. 87 und 88).
88 Eine Entscheidung über ein Verbot des Inverkehrbringens, die in der Tat das restriktivste Hindernis für den Handel mit Produkten darstellt, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht werden, kann nur erlassen werden, wenn die behauptete tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Daten, die zum Zeitpunkt des Erlasses einer solchen Entscheidung verfügbar sind, hinreichend erwiesen erscheint. In einem solchen Zusammenhang besteht der Zweck der vom Mitgliedstaat durchzuführenden Risikobewertung darin, den Grad der Wahrscheinlichkeit schädlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit durch die Verwendung der verbotenen Produkte und die Schwere dieser möglichen Auswirkungen zu beurteilen (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission v Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 89).
89 Bei der Ausübung ihres Ermessens im Bereich des Schutzes der öffentlichen Gesundheit müssen die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die von ihnen gewählten Mittel müssen sich daher auf das beschränken, was tatsächlich erforderlich ist, um den Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten; sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten Ziel stehen, das nicht durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger stark einschränken (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission v Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 90).
90 Es trifft zu, dass die von einem Mitgliedstaat vorzunehmende Bewertung ein hohes Maß an wissenschaftlicher und praktischer Unsicherheit in dieser Hinsicht aufweisen kann. Eine solche Unsicherheit, die vom Begriff der Vorsorge nicht zu trennen ist, beeinflusst den Umfang des Ermessens des Mitgliedstaats und wirkt sich somit auf die Mittel zur Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus. Unter diesen Umständen ist anzuerkennen, dass ein Mitgliedstaat im Rahmen des Vorsorgeprinzips Schutzmaßnahmen ergreifen kann, ohne abwarten zu müssen, dass die Realität und die Schwere dieser Risiken vollständig nachgewiesen sind. Die Bewertung des Risikos darf jedoch nicht auf rein hypothetischen Überlegungen beruhen (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission v Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 91).
91 Eine korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips setzt erstens voraus, dass die potenziell negativen Folgen der vorgeschlagenen Verwendung des betreffenden Stoffes für die Gesundheit ermittelt werden, und zweitens, dass eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung vorgenommen wird (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission v Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 92).
92 Erweist es sich als unmöglich, das Vorhandensein oder das Ausmaß des behaupteten Risikos mit Sicherheit zu bestimmen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, aber die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die öffentliche Gesundheit im Falle des Eintretens des Risikos fortbesteht, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass restriktiver Maßnahmen, sofern sie nicht diskriminierend und objektiv sind (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission v Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 93).
93 Nach der in den Randnrn. 83 bis 92 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist es zwar Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob das Verbot des Inverkehrbringens von in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erzeugtem CBD - wenn es aus dem Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit und nicht nur aus ihren Fasern und Samen - geeignet ist, die Verwirklichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zu diesem Zweck erforderlich ist. Es ist jedoch Sache des Gerichtshofes, dem nationalen Gericht alle erforderlichen Angaben zu machen, um ihm bei dieser Entscheidung eine Orientierungshilfe zu geben.
94 Bei der Prüfung der Frage, ob dieses Verbot geeignet ist, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, ist zu berücksichtigen, dass sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, dass dieses Verbot das Inverkehrbringen von synthetischem CBD, das die gleichen Eigenschaften wie das aus der Pflanze gewonnene CBD hat, nicht beeinträchtigen würde. Cannabis sativa Anlage in ihrer Gesamtheit und als Ersatz für diese verwendet werden könnte. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diesen Umstand zu prüfen, der, sollte er sich bestätigen, darauf hindeuten würde, dass die Regelung des Ausgangsverfahrens nicht geeignet war, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.
95 Was die Notwendigkeit eines Verbots des Inverkehrbringens von CBD anbelangt, wenn es aus der Pflanze extrahiert wird Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Französische Republik nicht verpflichtet ist, nachzuweisen, dass die gefährliche Eigenschaft eines solchen Erzeugnisses mit derjenigen von Betäubungsmitteln wie den in den Anhängen I und II des Einheits-Übereinkommens aufgeführten Stoffen identisch ist. Es ist nämlich Sache des vorlegenden Gerichts, die verfügbaren und ihm vorgelegten wissenschaftlichen Daten zu bewerten, um sich im Licht der in den Randnummern 88 bis 92 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung und der in Randnummer 72 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen zu vergewissern, dass die behauptete tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit nicht auf rein hypothetischen Erwägungen zu beruhen scheint.
96 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die das Inverkehrbringen von in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erzeugtem CBD verbietet, wenn es aus dem Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit und nicht nur aus ihren Fasern und Samen, es sei denn, diese Rechtsvorschriften sind geeignet, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und gehen nicht über das hinaus, was zu diesem Zweck erforderlich ist. Die Verordnungen Nr. 1307/2013 und Nr. 1308/2013 sind dahin auszulegen, dass sie auf solche Rechtsvorschriften keine Anwendung finden.
Kosten
97 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Entscheidung über die Kosten ist daher Sache dieses Gerichts. Die durch die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof entstandenen Kosten sind mit Ausnahme der Kosten dieser Parteien nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 34 und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die das Inverkehrbringen von in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltem Cannabidiol (CBD) verbietet, wenn es aus demselben Erzeugnis gewonnen wird. Cannabis sativa Pflanze in ihrer Gesamtheit und nicht nur aus ihren Fasern und Samen, es sei denn, diese Rechtsvorschriften sind geeignet, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und gehen nicht über das hinaus, was zu diesem Zweck erforderlich ist. Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften für Direktzahlungen an Betriebsinhaber im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates sowie Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72 des Rates, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 sind dahin auszulegen, dass sie auf diese Rechtsvorschriften keine Anwendung finden.
[Unterschriften]
* Sprache der Rechtssache: Französisch.